Influencer Marketing - die Frage, welche Auswirkungen die COVID-induzierte Krise auf die Branche hat bzw. haben wird und wie es “danach” weitergeht, stellen sich momentan viele Werbetreibende und PR Experten.
Zuvor sei aber ein kurzer, gedanklicher Ausflug in die Zeit vor der Krise gestattet. Wie war es denn um das Thema Influencer Marketing direkt vor der Krise bestellt?
Eine repräsentative Studie [1] des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW) aus dem März 2020 zeigt, dass die Rolle von Social Media Influencern im Marketing-Mix Jahr für Jahr an Bedeutung gewinnt. Mit 21,6% gibt mittlerweile bereits jeder fünfte Deutsche an, schon einmal ein Produkt gekauft zu haben, weil er es zuvor bei einem Influencer gesehen hat. 2019 lag dieser Wert bei 19%, 2018 bei 16%.
Schaut man sich ganz spezifisch die Gruppe der 16 - 24 jährigen an, liegt derselbe Wert bei unglaublichen 52,6%. Mehr als die Hälfte der Befragten in dieser Altersgruppe geben an, Influencer für glaubwürdiger als klassische Werbung im TV, Radio oder Print.
Rosige Aussichten also, filtert man die COVID Krise einmal gedanklich aus dem Gesamtkontext.
Was aber passiert, wenn man diesen Filter entfernt?
Die Werbequote auf Social Media sinkt
Das, in den vergangenen Wochen, oft zitierte “Abflachen der Kurve” ist im Bereich Influencer Marketing auch bei der Werbequote zu beobachten. Die Werbequote, also der Anteil an bezahlten Kooperationen an der Gesamtanzahl der veröffentlichten Beiträge eines Influencers, ist während der Krise stark abgefallen.
Waren es vor der Krise, global gesehen, im Schnitt noch 35% - also jeder dritte Beitrag - konnten wir während der Krise einen Abfall auf 6% beobachten [2]. Das war, angesichts der Tatsache, dass viele Marketing Budgets gekürzt oder zur Gänze gestrichen wurden, zu erwarten.
Für all jene, die bereits während der Krise oder jetzt, auf dem Weg zur “neuen Normalität” auf Influencer Marketing gesetzt haben und setzen, bedeutet dies zuallererst einmal weniger Konkurrenzbeiträge.
Gleichzeitig ist die Social Media Nutzung während der Krise stark gestiegen - wir verbringen mehr Zeit im Netz - bezahlte Kooperationen erreichen, vereinfacht dargestellt, also ein breiteres Publikum als vor der Krise.
So verwundert es nicht, dass über alle Kategorien hinweg, vor allem aber in Kategorien wie Gesundheit oder Fitness, ein Anstieg der Engagement Rate für bezahlte Kooperationen zu verzeichnen ist.
Weg von Produkt-, hin zu Markenwerten
Die Krise hat den Digitalisierungsprozess über alle Branchen hinweg massiv beschleunigt. Unternehmen mussten ihre physische Ladenfläche - egal ob lokale Mini Boutique oder globaler Flagship Store - temporär schließen. Absatzmöglichkeiten und die direkte Interaktion mit dem Kunden, waren über Nacht nur noch über den Online Shop (sofern vorhanden), die Website und Social Media möglich.
So ergibt sich eine spannende Dynamik aus:
Einer Realität, in der das öffentliche Leben (zumindest während der Krise) beinahe ausschließlich online stattgefunden hat und auch nach der Krise einen höheren online-Anteil haben wird, als davor.
Einem Kunden, dessen neu ausgerichtete Prioritäten einen geringeren Konsumfokus haben. Wir sind auf der Suche nach Rat, Trost, Gruppenzugehörigkeit, Inspiration oder einfach nur Unterhaltung.
Die resultierende, neue Herausforderung für Unternehmen ist es, eine Beziehung zum Kunden aufzubauen. Das funktioniert in dieser neuen Gemengelage über die Kommunikation von Markenwerten natürlich besser als über Produktfokus und lässt sich mittels Mikro-Influencern nicht nur skalierbar sondern vor allem menschlicher, nahbarer, glaubhafter umsetzen.
User Generated Content is King
UGC - also von Nutzern (nicht Marken) erstellte Inhalte - erleben während der Krise einen neuen Boom [3].
Das liegt nicht nur an der bereits angesprochenen menschlichen Komponente, mit der wir uns natürlicher identifizieren können, der wir mehr Vertrauen entgegenbringen, sondern hat auch ökonomische Gründe.
Während der Krise wurde es für Unternehmen aufgrund bestehender Einschränkungen - egal ob finanzieller oder regulatorischer Natur - immer schwieriger, Inhalte für die Kampagnen und Markenkommunikation zu erstellen.
User Generated Content war und ist für viele dieser Unternehmen eine naheliegende Alternative, die zusätzlich Vorteile wie Reichweite und Social Proof mit sich bringt.
Back to the roots
Das Prinzip Influencer Marketing ist kein Konzept der 2000er. Meinungsmacher, Vorbilder und Inspirationsquellen gibt es seit Menschengedenken. Gewandelt hat sich jeweils nur deren Gestalt.
Mit dem Vormarsch Sozialer Medien und der immer größeren Bedeutung, die wir ihnen im täglichen Leben beimessen, sind Influencer zunehmend zu Social Media Persönlichkeiten geworden.
Durch Social Media änderte sich aber erstmals in der Geschichte nicht nur die Gestalt der Influencer, sondern auch die Form der Kommunikation. Letztere war auf einmal bidirektional. Im Zuge des digitalen Umschwungs wollten und konnten Konsumenten aktiv am Dialog teilnehmen, anstatt passiv auf der Empfängerseite zu sitzen - pull anstelle von push.
Genau diese Dialogmöglichkeit, die Beziehung und Interaktion zwischen Influencer und Follower - der Austausch innerhalb einer Community über Trends, Werte, Lösungen,... oder banaler einfach nur Lieblingsprodukte oder Freizeitgestaltung - ist letztendlich soziale Interaktion, die sich digitalisiert und Influencer so erfolgreich gemacht hat.
Mit steigender Popularität, befeuert durch die zugleich stetig sinkende Performance alternativer Werbekanäle (DSGVO, Ad Blocker,...) erodierte diese Kernkomponente jedoch zunehmend.
Kooperationen mit Influencern wurden nicht mehr aufgrund der Beziehung zwischen Influencern und deren Community eingegangen sondern waren vorwiegend reichweitenfokussiert. Der Influencer wird dadurch zur digitalen Litfaßsäule für Produktplatzierung. Die Glaubwürdigkeit leidet. Die Bindung innerhalb der Community ebenfalls.
Wir erleben nun eine verstärkte Rückkehr zu Werteorientierung und sozialer Interaktion und somit ein Wiederaufflammen dessen, was Influencer so erfolgreich und Influencer Marketing so mächtig für Werbetreibende gemacht hat.
Wie lange dieser Effekt andauert, bleibt abzuwarten. Zumindest haben ihn, im Gegensatz zur Zeit vor der Krise, nun viele verstanden. Das macht Hoffnung.